Freitag, 31. August 2007

Der Grüne Punkt - Markenrecht vs. Kartellrecht vor dem EuGH




Der Grüne Punkt hat Rechtsmittel eingelegt gegen die Entscheidung des Europäischen Gerichts erster Instanz (EuG) vom 24 Mai 2007. Darin hatte das Gericht festgestellt, dass der Grüne Punkt seine marktbeherrschende Stellung missbraucht habe, indem er von seinen Lizenznehmern auch für solche Verpackungen eine Lizenzgebühr gefordert habe, auf denen zwar der Grüne Punkt aufgedruckt war, die aber nicht vom DSD entsorgt wurden, sondern von einem Wettbewerber.

Die Entscheidung betrifft eine Beschwerde verschiedener Wettbewerber an die Europäische Kommission im Jahr 1999. Sie hatten geltend gemacht, dass DSD auf diese Weise einen effektiven Wettbewerb behindere. Wenn die Unternehmen sowieso an den Grünen Punkt zahlen müssten, hätten Sie keinen Grund, einen Teil ihrer Verpackungen über einen anderen Entsorger einer Verwertung zuzuführen.

Der Knackpunkt an der Sache ist, dass die Unternehmen nicht für die Entsorgung bzw. dafür zahlen, dass ihre Verpackungen in gesetzmäßiger Weise einer Verwertung zugeführt werden, sondern nur dafür, dass sie den Grünen Punkt auf auf ihre Verpackungen drucken dürfen. Mit anderen Worten, sie zahlen nur für die Marke. Die Marke steht entsprechend auch nur dafür, dass für diese Verpackung ein Beitrag an den Grünen Punkt gezahlt worden ist.

Der Vorteil für die Unternehmen lag darin, dass der Grüne Punkt das einzige anerkannte flächendeckende Sammel- und Verwertungssystem nach § 6 Abs. 3 der VerpackungsVO betrieb, das in der Lage war, den Unternehmen einen "Persilschein" auszustellen. Denn der Grüne Punkt hatte gegenüber den jeweils zuständigen Länderministerien den Nachweis geführt, dass der gesetzlich vorgeschriebene Anteil aller von ihm lizenzierten Verpackungen in der vorgeschriebenen Weise einer Verwertung zugeführt worden war (so. Mengenstromnachweis). Mit anderen Worten: Wer beim Grünen Punkt unterschrieb, war gegenüber staatlichen Stellen von der Pflicht befreit, einen eigenen Nachweis darüber zu führen, dass seine Verpackungen im gesetztlich vorgeschriebenen Mindestmaß einer Verwertung zugeführt worden waren. Wer bei anderen Unternehmen unterschrieb, war zumindest rechtlich noch in der Pflicht (auch wenn diese Unternehmen das idR für den Kunden übernahmen).

Hätte sich der Grüne Punkt durchgesetzt, so hätten die Unternehmen nur dann einen Teil ihres Verpackungsaufkommens über einen Wettbewerber entsorgen können, wenn sie auf diese Verpackungen keinen "Grünen Punkt" aufgedruckt hätten. Das hätte für die Unternehmen nicht nur erhebliche Mehrkosten für unterschiedliche Verpackungen bedeutet (Rn. 49 der Entscheidung), sondern auch eine logistische Meisterleistung erfordert. Produkte und deren Verpackungen sind nicht statisch, sondern wandern im freien Warenverkehr.

Auf der anderen Seite hatte der Grüne Punkt berechtigte Sorge zu der Annahme, dass Verpackungen, auf den der Grüne Punkt aufgedruckt war, zwangsläufig auch in den Behältern des Grünen Punkts landen würden, und dass so die Entsorgung letztlich auf Kosten des Grünen Punkts erfolgen würde.

Markenrechtlich ist die Position des Grünen Punkts noch verständlicher: Nachdem der Verkehr als Folge einer jahrelangen Kommunikationsarbeit den Grünen Punkt so verstand, dass

a) für dessen Benutzung eine Gebühr an DSD gezahlt worden ist, und

b) Verpackungen mit dem Punkt in Müllbehälter mit dem Punkt gehören,

wäre die Marke durch eine kostenlose Fremdbenutzung verwässert und geschwächt und auf Dauer nicht mehr eindeutig dem Grünen Punkt zugeordnet worden (Beeinträchtigung der Unterscheidungsfunktion). Dies hätte auf Dauer eine Durchsetzung der Marke erschwert oder verhindert. Der Grüne Punkt hätte kaum mehr darüber entscheiden können, auf welchen Verpackungen seine Marke aufgedruckt war. Entsprechend wehrte sich DSD gegen die "unentgeltliche Zwangslizenz" an der Marke.

Der Grüne Punkt ist den Wettbewerbern im Laufe des Verfahrens und auf Druck der Kommission widerwillig entgegengekommen und hat zugesagt, die Benutzung der Marke dann zu gestatten, wenn die Wettbewerber ebefalls anerkannte Systeme im Sinne des § 6 Abs 3 der VerpackVO sind. Hintergrund ist, dass die Wettbewerber sonst - im Gegensatz zum Grünen Punkt - in der Lage gewesen wären, sich die lukrativen Entsorgungsaufträge für einzelne Unternehmen herauszupicken, ohne eine flächendeckende Versorgung (etwa in ländlichen Gebieten) sicherstellen zu müssen, auf der der Grüne Punkt "sitzen geblieben" wäre. . Damit hätten die Wettbewerber die Möglichkeit gehabt, ihre Leistungen zu ungleich geringeren Kosten anzubieten. Im Rahmen des Verfahrens machte DSD weitere Konzessionen gegenüber der Kommission, die jedoch letztlich nicht ausreichten.
Die Kommission entschied gegen DSD, unter anderem mit dem (markenrechtlich bedenklichen) Argument, DSD würde sonst für eine Leistung kassieren, die andere erbringen - auch wenn tatsächlich nur für die Nutzung der Marke bezahlt wird. Was DSD lange problemlos Einnahmen sicherte, da die Entsorgung der einzelnen Verpackung nie nachgewiesen werden musste, wird ihm nun zum Verhängnis: Die Trennung der Bezahlung von der Leistung.

Das Europäische Gericht hat die Klage des DSD gegen die Entscheidung der Kommission abgewiesen und dabei die Beseitigung von Markteintrittshürdern über den Schutz der Markenrechte gestellt, zum Teil mit - aus markenrechtlicher Sicht - schwer verdaulichen Argumenten. Bereits zuvor hatte es den Antrag des Grünen Punkts abgewiesen, bis zur Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache den Vollzug der Entscheidung (bzw. eines Teils hiervon) per einstweiliger Anordnung auszusetzen. Es bleibt abzuwarten, wie der EuGH sich hierzu äußert.

Eine interessante Darstellung der Fragen und ein ebenso interessanter Kommentar zu den wettbewerbsrechtilchen Fragen rund um den Grünen Punkt findet sich bei IPKat, dem Blog von Jeremy Phillips.
Nota bene: Bemerkenswert ist, dass sich das Verfahren nun schon deutlich über acht Jahre hinzieht. Viele mittelständige Entsorgungsunternehmen sind in dieser Zeit schon längst vom Markt verschwunden oder von Großen übernommen worden.